Vera Gercke ist Autorin, Schreibcoach und Mediatorin. Sie ist der Mensch, neben dem ich im Theater sitzen möchte und mit dem ich das Gespräch suche, wenn mir ein neues Projekt im Kopf rumspukt. Ihr Arbeitsplatz ist ein umgebauter Bauwagen im Grünen, und ihre Projekte sind vielfältig, vom kreativen Schreibtraining über TV-Drehbücher bis hin zur Konfliktberatung.
Du hier und nicht in Hollywood?
Warum ich nicht längst in Hollywood lebe und arbeite, liegt zum einen an einem dummen Zufall (die haben mich noch nicht gerufen, obwohl ich natürlich das Zeug dazu habe Blockbuster-Drehbücher zu schreiben!) und zum anderen, dass ich nicht gut in einer amerikanischen Stadt leben kann. Ich fühle mich in Amerika so, als würde ich ständig durch ein Filmstudio latschen. Skyscraper bringen mich zu Lachen.
Ich könnte mich abrollen, wenn ich sehe, dass Bürgersteig und Rasenkante in den schicken Vorort-Vierteln genau auf einer Höhe liegen. Und der Zeitungsbote auf dem Fahrrad, der die Lektüre über den Gartenzaun pfeffert, ist zu viel für mich. Zu surreal für den Alltag. Ich würde abdrehen.
Wer hat dir das alles beigebracht?
Mal abgesehen von dem, was ich in der Schule gelernt habe, nämlich einen Stift zu bewegen, Buchstaben zu erkennen und nachzumalen, Wörter zu bilden, Sätze zu konstruieren und völlig unsinnige Interpretationen und Analysen zu schreiben, hab ich mir alles alleine beigebracht.
Klar habe ich mir Mentoren gesucht, Kurse belegt und vor allem: geübt, geübt, geübt. Im Grunde bin ich genau das, was man eine Autodidaktin nennt. Wenn ich etwas nicht kann oder weiß, genau das aber gerade gebraucht wird, dann sage ich erstmal „Ja!“, und danach überlege ich mir, wie ich mir die dafür erforderliche Fertigkeit oder das notwendige Wissen aneignen kann. Das klappt wunderbar!
Ohne Internet wäre ich allerdings aufgeschmissen und mein Bücherregal wäre so voll, dass ich mich um die Statik des Hauses sorgte. Nullen und Einsen wiegen einfach nicht so viel und sind deutlich platzsparender.
Wann stehst du morgens auf?
Ich stehe zwischen fünf und sechs Uhr morgens auf, außer vielleicht am Wochende, da kann es auch schon mal sieben oder acht werden. Dann setze ich mich sofort mit einer Kanne Kräutertee an den Schreibtisch und lege los.
Wenn die Kinder aus der Schule kommen, sofern sowas stattfindet, habe ich, gemessen an dem normalen Arbeitstag eines Angestellten, schon die ersten Überstunden hinter mir. Dann ist aber meistens auch Schluss mit Büro!
Dann kommt die Zeit, in der ich mich um den Rest des Lebens kümmere. Meine Gedanken dürfen dann machen, was sie wollen. Manchmal kommt sogar was Kreatives dabei raus. Meistens nicht.
Auf was kannst du verzichten?
Ich bin so eine Ganz-oder-Garnicht-Type. Ich habe Phasen in meinem Leben, da kann ich prima jeden Abend Wein trinken. Dann wieder rühre ich wochenlang keinen Tropfen Alkohol an. Ich kann radikal fasten oder mir den Wanst vollschlagen. Ich kann mir fünf Paar Schuhe an einem Tag kaufen oder sämtliche Schaufenster ignorieren. Nur mit dem Mittelmaß habe ich es nicht so.
Allerdings habe ich das Wort “Verzicht” schon länger aus meinem Wortschatz verbannt. Wenn ich etwas gerade nicht in meinem Leben haben will, dann höre ich sofort auf damit. Darauf zu verzichten kommt für mich nicht in Frage, weil das ja impliziert, dass ich es eigentlich total gerne trotzdem hätte. Das ist so ein Opferding und klingt nach Stress. Ich essen vegan, lasse die Finger weg vom Zucker, gehe Weizenprodukten aus dem Weg – was man eben gerade so macht, wenn man ein Kulinarik-Hipster sein will.
Bei all diesen Entscheidungen ist das bei mir so, als wenn ich das Thema und das damit verbundenen Bedürfnis aus meinem Gehirn lösche. Du kannst mir Kuchen vor die Nase stellen, Schokolade, Gummibärchen… ich weiß, wie das alles schmeckt, weiß sogar, dass es lecker ist und trotzdem ist es für mich, als existierten diese Dinge außerhalb meines Universums… Triggert mich von heute auf morgen überhaupt nicht mehr. Ich rede normalerweise auch nicht darüber, weil viele Leute Stress damit haben, dass ich diesbezüglich einfach mache, was ich will und das ohne Gejammer und erhobenen Zeigefinger. Mache jetzt bei dir mal eine Ausnahme.
Hast du schon mal ein Gedicht geschrieben?
Ich habe schon total viele Gedichte geschrieben. Gereimte und ungereimte. Was gereimte und rhythmische Gedichte angeht, bin ich eine Diktatorin. Ich fahre aus der Haut, wenn Leute Gedichte oder Reime öffentlich vortragen, die rhythmisch nicht aufgehen oder haarscharf vorbeigereimt sind. Sollte jemand mal auf die Idee kommen, mich foltern zu wollen, dann wäre das eine effektive Methode: Reim-Dich oder Ich-Fress-Mich-Gedichte vortragen und ich lege mich freiwillig nieder und sterbe. Hilfe!
Veras aktuelle Projekte.
Aktuell arbeitet Vera an einem Jugendbuch über ein brisantes Thema, das sie mir aktuell aber noch nicht verrät und an einer Box mit Heften für Leseanfänger*innen, mit witzigen Geschichten rund um die Figuren Coco, Miss Trulla, Robby und Laura – für den Einsatz in der Schule und zum Schmökern zu Hause. Besuche Vera auf ihrer Website.
Titelbild: Opposition Studios