
2024 habe ich keine Kleidung, Handtaschen oder Schuhe gekauft. Hier mein Fazit nach 365 Tagen ohne Fast Fashion, Shopping & Co.
Das Wichtigste zuerst: Ich hätte nie gedacht, dass aus meiner fixen Idee, ein Jahr lang keine Klamotten zu kaufen, eine kleine Bewegung wird. Viele Frauen haben sich mir im Laufe des Jahres angeschlossen, einige für ein paar Wochen, andere für ein paar Monate oder ein ganzes Jahr. Viele starten ihr No Buy Year gerade jetzt, 2025. Ich wünsche Ihnen allen genauso viele gute Erkenntnisse und so viel Freiheit, wie ich sie gewonnen habe.
Die Highlights aus meinem No Buy Year
- Ich hab Geld gespart – und die Zeit, die ich bräuchte, um das Geld zu verdienen
- Ich habe neu gelernt, die Dinge zu schätzen, die ich bereits habe
- Äusserlichkeiten machen mir Spaß, sind aber nur ein kleiner Teil meines Lebens
- Kein Mensch merkt, ob ich was Neues anhabe
- Meinen Freunden ist egal, was ich anhabe
- Ich hatte ein Thema weniger im Kopf
- Ich musste weniger Entscheidungen treffen
- Ich hab Fast Fashion hinterfragt
- Ich war ein bisschen schockiert von mir selbst
Eigentlich war es so, wie mit dem Rauchen aufzuhören: Am Anfang fühlt es sich wie eine Einschränkung deiner Freiheit an, und dann realisierst du, dass du dein Leben zurückbekommst. Weil du nicht mehr den Trends großer Fast Fashion Marken hinterherrennen musst. Weil du dein Geld behältst und deine Zeit. Weil du deine Kreativität und deine Persönlichkeit unter dem ganzen Krempel in deinem Kleiderschrank wiederentdeckst.

Aber warum in aller Welt dann gleich ein Jahr?
Wir wollen alle die Welt retten, aber vergessen oft, es auch zu tun, weil immer irgendwo Sale ist: Jährlich werden laut Internet weltweit etwa zwischen 80 und 150 Milliarden Kleidungsstücke produziert, genaue Zahlen sind gar nicht so einfach zu finden, und ich hab auch nicht ewig gesucht. Ein Großteil dieser Kleidung besteht jedenfalls aus billig und sehr schnell zu produzierenden, synthetischen Fasern, die es möglich machen, dass Trends immer schneller aufeinander folgen und Kaufimpulse immer häufiger ausgelöst werden können. Diese Fast Fashion Impulse sind so stark, dass wir alles andere vergessen, beispielsweise unsere persönlichen Werte in Sachen Qualität, Umwelt, Menschenrechte oder Kinderarbeit. Wir sehen das 5-Euro-Shirt und realisieren nicht, dass auf jeden Fall jemand bezahlt, nur eben nicht wir. Aber das allergrößte Drama an Fast Fashion ist, dass wir die ganzen Klamotten gar nicht brauchen.
Es gibt in unserer Welt keine „Must-haves“ mehr
Es ist fast wahrscheinlicher, dass dir dein neues Trendoberteil als Mikroplastik in deiner Nahrungskette wieder begegnet als noch mal in deinem Kleiderschrank. Denn in deutschen Kleidungsschränken alleine liegen laut Internet etwa 2 Milliarden Kleidungsstücke, die nie getragen werden. Überhaupt tragen wir um Durchschnitt nur 20% unserer Kleidung regelmäßig, den Rest selten oder nie. Folglich müsste die Rechnung doch eigentlich aufgehen, dass sich in meinem Kleiderschrank genug für ein Jahr – für Jahre – befindet.
Die ersten Monate
Hard decisions, easy life. Die ersten Wochen waren von neu entdeckter Freiheit geprägt, auch im Kopf. Denn da ich ja einmal eine große Entscheidung getroffen hatte, brauchte ich nicht bei jedem kleinen Kaufimpuls neu mir mir selbst zu verhandeln, ob ich das jetzt haben will, brauche oder nicht. Die Antwort war klar, und auch im Neinsagen bekommt man schnell eine Routine.
- Ich habe alte Schätze in meinem Kleiderschrank wiederentdeckt
- Ich war mit Freundinnen shoppen, ohne zu shoppen (und ohne schlechtes Gewissen danach)
- Ich sah aus wie immer, vielleicht sogar entspannter;-)
Ich habe sogar noch mal ein Drittel meines Kleiderschrankes ausgemistet und hatte plötzlich überwiegend Sachen im Schrank, die ich mag und die zusammenpassen. Einzige Ausnahme: Ich hasse heute fast alle meine Hosen. Einige davon sind im Culotte-Stil. Ich hab mich zu jeder von einer Verkäuferin überreden lassen, die es sicher gut gemeint hat.
Nach einem Jahr fast ausschließlich in diesen Hosen (weil andere kaputt gegangen sind) muss ich sagen: Ich glaube nicht mehr an Trends. Ich glaube an warme Knöchel. Ich glaube an das Gefühl, dass meine Hose über meine Schuhe fällt. Ich glaube an Leggings, Jogginghosen und Jeans mit Schlag. Und ich glaube daran, dass ich in Zukunft kaufe, was zu mir passt – und nicht zu einem Trend.

Der Spätsommer und Herbst
Ich könnte ein Buch über alle Gedanken schreiben, die ich in diesem No Buy Year hatte. Aber ich spring hier mal kurz ein paar Monate weiter zu den Tagen oder Wochen, in denen es echt schwer war. Der September war mein schlimmster Monat, da hätte ich eigentlich lieber aufgehört bzw. wieder mit dem Shoppen angefangen.
- Ich stehe in Sachen Hosen immer ratloser und genervter vor dem Kleiderschrank
- Ich vermisse beim Modeln oder als Content Creator ein paar gute Basics
- Ich muss damit klarkommen, mir albern gekleidet vorzukommen (Culotte)
- Als unsere Waschmaschine kaputtgeht, kauf ich mir aus Trotz ein Basic-Shirt und ein paar Schuhe
- Wenn noch was von meinen Klamotten kaputtgeht, schrei ich
Übrigens ist mir 2024 zum ersten Mal aufgefallen, wie viele meiner Sachen im Laufe nur eines Jahres kaputtgehen. Meine Oma hatte noch einen guten Mantel, der war ein sinnvolles Investment. Mein Plan für 2025: bessere Qualität kaufen.
Mein größtes Learning
Klamotten sind keine Wundermittel, wir behandeln sie aber so. Wir überschätzen ganz gewaltig den Einfluss, den Kleidung auf uns und auf andere Menschen hat. Den meisten Leuten ist es aber ziemlich egal, was wir anhaben, die freuen sich einfach, uns zu sehen. Kleidung ist schön, aber eben nicht alles.
Wir verlangen zu viel, wenn es um Kleidung geht, wir wollen dieses eine Teil, das uns (wieder) glücklich und die Party zum Erfolg macht. Wir wollen uns alle gut fühlen und denken, dass wir dazu ständig etwas Neues brauchen. Dieses Denkmuster sitzt tief und ist gar nicht so leicht zu ändern.
Ich hab gelernt, dass das Gefühl, nichts zum Anziehen im Schrank zu haben, nichts mit der Anzahl meiner Klamotten und viel mit meinen Gefühlen zu tun hat. Mir ist bewusst geworden, dass ich manche Probleme mit Shoppen lösen möchte, besonders wenn ich mich unsicher fühle. Und dass viele davon gar keine Probleme sind, wie etwa bei einem Konzert im Dunkeln im „richtigen“ Outfit stehen.
Von den 527.040 Minuten, die das Jahr 2024 hatte, habe ich nicht jede, aber bestimmt 510.000 genossen. Ich habe als Creator, Model und Influencerin ein Jahr nichts Neues in Sachen Outfits bei Instagram präsentiert, und es hat sich kein Loch im Universum aufgetan. Das Feedback war sogar eher, dass sich viele von euch selbst eine Konsumpause wünschen.
Ganz gleich, ob ihr No Shopping für einen Monat oder ein Jahr ausprobiert: es wird etwas mit euch machen, und ich kann es jederzeit empfehlen. Mein Ziel ist es, ab 2025 Slow Fashion zu kaufen. Zur Mode gehört es auch, Entscheidungen zu treffen. Ab jetzt sollen es nur noch gute sein.

Für alle, die mein No Buy Year nicht auf Instagram verfolgt haben:
Was genau hast du nicht gekauft?
Kleidung, Schuhe, Handtaschen, Unterwäsche, Sportsachen, Strumpfhosen. Auch nicht gebraucht? Nö, auch nicht Second Hand, Vintage oder wie auch immer. Das einzige Kleidungsstück, was ich nicht dazugezählt habe, sind Socken, weil sie bei mir schnell kaputt gehen. Auch diese habe ich aber nicht übermäßig gekauft:-)
Hast du Ausnahmen gemacht?
Ja, ich hab im Laufe des Jahres welche gemacht, auch wenn ich keine eingeplant hatte. Ich hab Anfang des Jahres bei einem Modeljob in Berlin einen hautfarbenen BH vergessen, den ich am Hbf Berlin nachgekauft hab. Und ich hab im Sommer ein Oberteil gekauft, auch für einen Modeljob.
Im Herbst kam ein ein dunkelblaues Basic T-Shirt dazu, als unsere Waschmaschine zwei Wochen ausgefallen ist, siehe oben. Nicht waschen können und No Buy Year ist ne krasse Kombi, wenn man nicht so viel Kleidung besitzt. Echte Impulskäufe waren eine schwarze Leggings und ein paar Doc Martens. Ich bin auch nur ein Mädchen, das vor einem Schaufenster steht.
Fotos: Sophie Biebl, Creative Director: Eva Schingarkin-Müller, Fashion Styling: Kristina Kinsfater, Antje H., MUAH: Julia Heiermann